Franzosen-Gräuel in Freudenstadt, Calw, Nagold

2. Mai 2015

Rottweil. Während das Rottweiler Stadtarchiv, was das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Franzosenzeit vor 70 Jahren angeht, ziemlich versagt, haben schon mehrere Nachbarstädte berichtet. Hier der heutige Bote über die französischen, genauer gesagt die marokkanischen Gräuel in Freudenstadt, Calw und Nagold:

Die Zerstörung Freudenstadts

Für die französische Armee war ausgerechnet Freudenstadt ein verhasstes Symbol für die erlittenen Demütigungen durch den Erzfeind Deutschland. Auf dem Kniebis, unweit der Alexanderschanze, befand sich das Führerhauptquartier Tannenberg. Hitlers einwöchiger Besuch in Tannenberg und Freudenstadt im Jahr 1940 unmittelbar im Anschluss an den Frankreichfeldzug der Wehrmacht war in Wochenschauberichten propagandistisch ausgeschlachtet worden. Damit wurde Freudenstadt samt Umland allerdings auch in ganz Frankreich zu einem überall bekannten Symbol des Naziregimes und der französischen Niederlage, was sich nun zu einer fürchterlichen Hypothek für die Schwarzwaldstadt wenden sollte.

Der langjährige Calwer Dekan Gerhard Wirth erlebte den für Freudenstadt damals völlig unerwarteten Angriff der Franzosen als 15-Jähriger. Er ist einer jener Zeitzeugen, die heute, sieben Jahrzehnte später, die Ereignisse von damals schmerzlich lebendig werden lassen:
»Eine Totenstille lag über der Stadt. Sie war unheimlich. Diese Stille war anders als sonst.« Es sei die Stille vor dem Sturm gewesen. Wirth steht zwischen Dekanat und Kirche, als die erste Brandgranate ins Kirchenchendach einschlägt. Mit einigen Freunden hatte er eigentlich den Kirchchturm besteigen wollen. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Im 30-Sekunden-Takt prasseln die Geschosse auf Stadt und Bevölkerung nieder. Sie bringen überall Tod, Leid und Zerstörung.

Der junge Wirth ist Zeuge, als sich der damalige Dekan Theodor Gerhardt über seine von einem Granatsplitter tödlich verwundete Frau beugt. Sieht in der halbstündigen Feuerpause am Abend verzweifelte Menschen durch die Straßen rennen. Beobachtet die vergeblichen Versuche, die Brände unter Kontrolle zu bringen. Blickt nur wenige Stunden, nachdem Freudenstadt unter Beschuss genommen wurde, auf die rauchenden Trümmer der Stadtkirche. Und schließlich, gegen 2 Uhr in der Nacht auf den 17. April auf sein brennendes Elternhaus.

Doch die eigentlichen Gräuel sollten erst noch folgen. Nach dem Einmarsch beginnen marokkanische Truppenteile der Franzosen damit, die Stadt unter erheblichen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung niederzubrennen. Rund 600 Gebäude, 95 Prozent der gesamten Innenstadt, werden zerstört, 1400 Familien obdachlos.

Nein, sagt Gerhard Wirth rückblickend, die Franzosen seien nicht nur Befreier gewesen. »Sie waren auch Eroberer«, urteilt er mit Blick auf die ebenfalls dokumentierten Massenvergewaltigungen, die verübt wurden, ohne dass französische Offiziere einschritten.

Allein 600 Freudenstädterinnen werden laut Renate Lutz-Lebsanft, damals Ärztin am örtlichen Krankenhaus, Opfer sexueller Gewalt in diesen schlimmen Tagen. »Wir haben uns auf dem Dachboden versteckt, ich und ein 18 Jahre altes Mädchen. Das wurde von 18 Marokkanern vergewaltigt«, berichtet eine Zeitzeugin im SWR-Film »Kriegsende im Südwesten – Als die Marokkaner kamen« (von 2005).

Auch in der Stadt Calw vergingen sich französische Soldaten nach Schätzungen an 450 bis 1000 Frauen. In Nagold soll es zu etwa 400 sexuellen Übergriffen gekommen sein. Von den anderen Gemeinden liegen keine Schätzungen vor, und offizielle Zahlen gibt es nicht, doch die Dunkelziffer dürfte für die gesamte Region bei vielen Tausend Fällen gelegen haben.

Der Mord an einer Familie von Nagold

Am selben Tag wie in Freudenstadt marschierten französische Streitkräfte auch in Nagold ein. Vorausgegangen waren schwere Kämpfe mit deutschen Truppen, die aber mittlerweile durch unablässige Jagdbomber-Angriffe vernichtend geschlagen waren. Da auch die Nagolder Bevölkerung Widerstand geleistet hätte, so heißt es damals, sei auch diese Stadt von der französischen Militärführung für 48 Stunden „freigegeben“ worden.

So berichtet es zumindest der damalige Bürgermeister Hermann Maier. Was folgte, waren Plünderungen und Vergewaltigungen. Sowie ein noch heute schier unerklärlicher Massenmord im rasenden Blutrausch, dem in der Schillerstraße 18 in Nagold in der Nacht auf den 18.April der Holzbildhauer Karl Bätzner, dessen Ehefrau Margarete und das erst vierjährige Enkeltöchterchen Helga zum Opfer fallen.

Die damals 33-jährige Tochter Helene, Mutter der kleinen Helga, überlebt die grausame Tat schwerverletzt. Ihre Beschreibung der Geschehnisse in der Tatnacht, wie ihren Eltern und ihrem Kind nacheinander die Kehlen durchgeschnitten wurden und sie selbst schwer verletzt überlebte, lässt einem noch heute den Atem stocken…

(Axel H. Kunert, Sie kamen auch als Eroberer, Auszug aus SchwaBo 2.5.2015) Dazu auch

Rottweil, Frühjahr 1945
Und die marokkanischen Vergewaltigungen?

4 Antworten to “Franzosen-Gräuel in Freudenstadt, Calw, Nagold”

  1. Schantle Says:

    Stadtkirche Freudenstadt

  2. Schantle Says:

    Kaufhausstraße Freudenstadt


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